„Christus ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“
Das ist der Osterruf der alten Kirche. Auch die orthodoxen Christinnen und Christen in der Ukraine und in Russland grüßen sich am Ostermorgen mit diesem Ruf. Dazu gehört die gute, alte Tradition des Osterlachens. Aber wie soll es uns gelingen, diesem Jahr fröhlich Ostern zu feiern? Krieg, Tod und Zerstörung in der Ukraine. Da geschehen Dinge, die wir hier in Europa nie mehr für möglich gehalten hätten. Da werden Grenzen überschritten, Kriegsverbrechen begangen. Die Bilder aus Butscha und Mariupol, aus Kiew und Kramatorsk und den vielen anderen Städten sind allgegenwärtig. Millionen Menschen mussten vor dem Krieg aus ihrer Heimat fliehen, Hunderttausende sind inzwischen bei uns in Deutschland angekommen.
Dagegen ist Ostern die große Hoffnung auf das Leben gegen den Tod. An Ostern muss sich zeigen, was unser christlicher Glaube wirklich wert ist, ob er uns zu halten vermag, weil er Grenzen überschreitet und ihn nicht einmal die Grenze des Todes mehr ins Wanken oder gar zum Absturz bringen kann.
Die Ostergeschichten aus der Bibel erzählen von den Frauen, die sich am Ostermorgen voller Trauer auf den Weg zum Grab machen. Ein wesentlicher Teil ihrer Lebensgeschichte ist null und nichtig gemacht. Erinnerung ja! Aber Zukunft nein! Aus und vorbei. Was bleibt, ist Trauerarbeit. Abschiednehmen an Ort und Stelle.
Aber dann: Wie Blitz und Donner bricht es über sie herein. Sie finden das leere Grab. Jesus ist auferstanden. Das ist die Geburtsstunde des Osterglaubens. Was ist das für ein Leben, mit dem uns Ostern in so überwältigender Absicht in Verbindung bringt? Es steht zu unseren Erfahrungen so sehr im Widerspruch. Der Tod ist doch eine Grenze. Eine Grenze, die uns in hohem Maß verunsichert und verletzt, uns den Boden entzieht.
Wir können die Tränen des Todes, wir können den Krieg nicht leichtfertig schön- oder gar wegreden. Aber so unerbittlich der Tod auch ist, so großartig ist der Osterglauben. Ostern überbietet den Tod. Ostern bietet mehr an Höhe als der Tod uns in Tiefen zu stürzen vermag. Wegen Ostern können wir angstfrei unsere Stimmen erheben für die, die keine Stimme mehr haben. Wir können uns einsetzen für die, die gerade jetzt dringend Hilfe brauchen. Wir können uns Nächstenliebe leisten.
So dürfen wir uns trotz allem am neuen Leben freuen und fröhlich sein.
Übrigens: In der orthodoxen Kirche wird das Osterdatum nach dem julianischen Kalender bestimmt. Darum wird dort in diesem Jahr Ostern erst am 24. April gefeiert.
So wünsche ich allen an diesem oder am nächsten Wochenende ein gesegnetes Osterfest
Ihr Jens Höfel,
Propst in Bad Harzburg