„Nie werde ich das vergessen, und wenn ich dazu verurteilt wäre, so lange wie Gott zu leben.“ Diese Worte von Ellie Wiesel aus dem Jahr 1960 über sein Ankommen im Konzentrationslager mahnen mich seit Jahrzehnten immer wieder neu. Menschen fügten Menschen unvorstellbares Leid zu, das nicht vergessen werden darf und nicht vergessen werden kann. Deshalb halte ich den Volkstrauertag auch für einen wesentlichen Tag in unserem kulturellen Gedächtnis und für notwendig, diesen Gedenktag auch persönlich immer wieder zu begehen, obwohl ich selbst lange nach Ende des zweiten Weltkrieges geboren wurde.
Mit dem Wissen um 17 Millionen Tote aus dem ersten Weltkrieg und 80 Millionen Tote aus dem zweiten Weltkrieg hofften wir und beschworen: Nie wieder Krieg. In diesem Jahr aber sehen wir Bilder vom Krieg mitten in Europa, von zerstörten Städten, zunichte gemacht wie damals 1945, sehen wir Menschen, die vor Bomben in U-Bahnschächte fliehen, die umgesiedelt werden, die aus ihrem Land flüchten, die sich an der Grenze von ihren Familien trennen oder für immer Abschied nehmen müssen. Wir hören und sehen Bilder von grausamen Massakern an Zivilist*innen, aber auch von erbittertem Widerstand, von mutigem Protest und einer immensen internationalen Hilfsbereitschaft.
Erinnern und Gedenken - in diesem Jahr weist uns der Volkstrauertag eindringlich darauf hin: Nicht nur aller Toten von Krieg und Gewaltherrschaft in Deutschland und weltweit zu gedenken, nicht nur für die Kriegstoten und ihre Angehörigen in der Ukraine und Russland zu beten, vielmehr sind wir gefordert, entschieden für eine friedliche Gegenwart und Zukunft tätig zu werden, für Menschenrechte, Frieden und Freiheit einzutreten. Wir können uns aus den Konflikten um uns herum nicht heraushalten. Lasst uns für Frieden einsetzen, jede und jeder von uns an dem Platz, an dem es ihm oder ihr möglich ist, denn Jesu Zuspruch gilt uns: „Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“