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27.06.2024 Kategorie: Wort

Sich den richtigen Reim machen

„Ene, Mene, Muh! Und raus bist du!“ Oh, Schreck, bin ich gemeint? Nein, es geht ja noch weiter „Raus bist du noch lange nicht…“ Der Reim zählt ein weiteres Kind an.  Ein anderes hört am Ende „und du bist fort!“ Alle anderen atmen auf.

„Ene, Mene...“ Ein Abzählreim aus Kindertagen. Er wählt ein Kind aus, um etwas Bestimmtes zu tun. Das kann eine Ehre oder eine Strafe sein oder irgendwas dazwischen.

Abzählreime gibt es wie Sand am Meer. Sie haften im Gedächtnis, meist ein Leben lang. Kaum ein Erwachsener würde sie noch anwenden, jedenfalls nicht im Wortlaut. Wie sähe das auch aus, in der Kassenschlange mit „Ene, Mene…“ die Hälfte der Personen anzuzählen, um schneller an die Reihe zu kommen?

Das „Prinzip Abzählreim“ bleibt trotzdem beliebt. Es erklärt bei anderen ein Merkmal wie Alter, Geschlecht, Herkunft für „unpassend“, die Person soll daraufhin weg. Schnell und radikal. Die Abzählenden fühlen sich „gerettet“. Wovor auch immer. Doch diese Art zu „sortieren“ löst keine echte menschliche Herausforderung. Sie reagiert nur auf die Sehnsucht nach einfachen Lösungen. 

Es ist eine uralte Strategie. Das biblische Wort für den Monat Juli rät zum bewussten Gegensteuern: „Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist.“ (2. Buch Mose 14,13)

Ein guter Rat, weil er ein „Stopp!“ einlegt zwischen Meinung und Handlung: Ist das wirklich deine eigene Überzeugung oder lässt du dich mitreißen, gar manipulieren?

Ist das respektvoll, gar menschlich, was da passiert? Möchtest du selber so behandelt werden?

Abzählreime sind für Kinder aufregend, aus Erwachsenensicht vorhersehbar schlicht. Sie taugen nicht als Weltbild. Denn die Welt ist wunderbar vielfältig mit allen, die sie mit gleichem Recht bewohnen. Alle gewinnen durch aufrichtiges Interesse und respektvolle Begegnungen. Der Reim darauf heißt: Sei ein Mensch!

Beitrag von Pfarrerin Petra Rau