Es ist nicht mehr zu ignorieren. Die Tage werden kürzer. Der Sommer entschwindet und bald ticken die Uhren wieder anders. Jedes Jahr versuche ich mich krampfhaft davor zu drücken, den Sommer gehen zu lassen. Wenn die Sonne abends nicht mehr durch das Fenster bricht, sondern zur gleichen Stunde die Straßenlaterne von der anbrechenden dunklen Jahreszeit kündet, frage ich mich, wie ich bis zum Frühjahr durchhalten soll. Sonne tanken fernab der Heimat und im Herzen ein bisschen Licht heimbringen? Eine Vitamin-Kur? Aber nichts davon ersetzt die zahlreichen hellen Momente des Sommers.
Die einen haben es schmerzlich, die anderen weise gelernt. Vieles ist unausweichlich, manchem muss man sich im Leben stellen und es ist nicht einfach weg, nur weil man die Augen davor verschließt oder es nicht wahr haben will. Immer wenn mir alles zu viel wird, nehme ich ein Blatt Papier aus der Schublade. Wie perfekt es hergestellt wurde! Weiß und offen für die fantastischsten Ideen, die es niederzuschreiben gilt. Aber im nächsten Augenblick zerknülle ich den Bogen in meiner Hand, drücke ihn zusammen. Dann entfalte ich ihn wieder und streiche ihn glatt. Immer noch weiß und offen für die größten Erkenntnisse dieser Welt, jedoch ein wenig mitgenommen sieht er aus. Die kleinen Knicke und Risse tragen Namen wie Sorgen, Ängste, Schmerzen und Trauer.
„Das Leid lehrt, standhaft zu bleiben. Die Standhaftigkeit lehrt, sich zu bewähren. Die Bewährung lehrt zu hoffen.“ (Röm. 5,4) Mein Zettel ist ordentlich durchgewalkt, aber dennoch notiere ich auf ihm die wildesten Vorhaben. In ihm spiegelt sich das Vertrauen auf luminöse Zeiten. Keinen ewigen Sommer oder den nicht enden wollenden Polartag, sondern ganz schlicht die Gewissheit auf mehr Licht; nicht gleich, aber bald. Dennoch probiere ich es bis dahin mit einem Sonnenurlaub, damit die Sehnsucht nach dem nächsten Sommer nicht zu arg schmerzt.