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25.09.2024 Kategorie: Wort

Segensräume

Im Urlaub haben sie sich verfahren und die falsche Ausfahrt genommen. Der Navy war ratlos. Also rechts ran und auf die altmodische Art nach Hinweisen suchen. Da ragte die alte große Kathedrale vor ihnen auf. Sie dachten: „Wenn wir schon mal hier sind, können wir auch rein gehen.“ Dämmer umfing sie, über ihnen leuchtete die Fensterrosette. Jeder Schritt vorwärts führte tiefer in eine anziehende Stille.

Ein Sarg kam ihnen entgegen, offenbar war gerade eine Trauerfeier im Gange. An der Seite knieten Menschen in Arbeitskleidung bei einer archäologischen Ausgrabung. Eine Touristengruppe hörte über Kopfhörer ihrem Guide zu. In den Bänken saßen vereinzelt Betende. Zwei Kinder hatten sich am Taufbecken auf den Boden gelegt und betrachteten mit Ferngläsern die hohe, schöne Decke.

Sie standen und staunten. So viele Lebensgeschichten hatten sich schon in diesen Kirchraum eingeschrieben. Nun kamen ihre dazu. Es schien, als würden sie sich verbinden und gemeinsam lauschen auf das Unsichtbare. Sie spürten, wie sich in ihrem Inneren Räume öffneten. Wie sie mit sich und allem in Einklang kamen.

Sie waren vom Weg abgekommen und zugleich angekommen. An einem ganz normalen Wochentag hatten sie das Gleiche erlebt wie Jakob vor tausenden von Jahren in einer Nacht unter freiem Himmel. Auf seiner Reise ins Ungewisse ein Traum von Engeln, lebhaft unterwegs zwischen Himmel und Erde. Er hatte Steine aufeinander geschichtet, um sich und andere zu erinnern: „Gott ist an diesem Ort anwesend und ich wusste es nicht.“

Morgen ist bundesweit der Tag des Offenen Denkmals. Vielerorts öffnen sich Orte mit besonderer Geschichte. Wer sich auf den Weg macht und hinhört, könnte auch Neues über sich selbst erfahren.

Beitrag von Pfarrerin Petra Rau