An der Kirchentür spricht mich jemand an: „Entschuldigen Sie bitte, aber als ich vorhin die Toilette im Gemeindehaus benutzt habe, war ich neugierig und habe das Klavier entdeckt. Es war nicht verschlossen. Ich hatte plötzlich Lust zu spielen, obwohl ich es Jahrzehnte nicht mehr getan habe. Ich war selbst überrascht, was ich spielte: Jesu, meine Freude. Und es klang sehr schön. Ich fühlte mich mit dem Menschen, von dem wir Abschied genommen haben verbunden. Und mit dem Himmel!“
„Jesu, meine Freude“ ist ein altes Kirchenlied. Schon als es 1653 geschrieben wurde, war es nicht ganz leicht zu singen. Wahrscheinlich, weil sich dieses Lied traut, die Angst des Herzens tapfer heraus zu singen: Die Welt zittert, der Drache brüllt, Feinde stürmen und der Todesrachen ist weit aufgesperrt: „Tobe, Welt und springe; ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh. Gottes Macht hält mich in acht, Erd und Abgrund muss verstummen, ob sie noch so brummen.“
Wenn mein Leben so ist, dass ich nur noch schreien möchte oder ganz zu verstummen drohe, dann können solche alten Lieder eine Tür offen, hinter der sich Töne verbergen, die von dem singen, was noch da ist, auch wenn ich es nicht sehe oder spüre: Freude, Zuversicht, Weitblick. Manchmal müssen andere für mich singen, manchmal braucht es eine Weile, um die richtigen Töne zu treffen. Es ist gut zu wissen, dass solche Lieder in der Welt sind. Vielleicht gibt es auch eins in Ihnen? Oder sie nehmen sich die Liedzeile von oben. Sie dürfen getrost neu lernen, flüstern, stottern oder brummen, viele Lieder haben Kraft, uns durch die Zeit zu tragen, Mut zu machen, Kraft zu geben und uns mit dem Himmel zu verbinden.