Suche

Nachrichten Ansicht

News

10.02.2023 Kategorie: Wort

Passbild

Für meinen neuen Führerschein brauchte ich ein Passbild. Also ein Bild, das passt. Aber welches Bild passt eigentlich?

Jeden Morgen vor dem Spiegel bemühe ich mich darum, ein Pass-Bild für den Tag zu entwerfen: Die Müdigkeit wegwaschen, die Falten glätten, die Haare richten, die Brille putzen: Fertig. Manchmal bin ich mit meinem Pass-Bild ganz zufrieden. Es gibt aber auch Tage, an denen ich mich so zerknautscht fühle, dass ich nur seufzen kann: Heute brauche ich Menschen, die mich freundlich ansehen und gnädig mit mir sind. Der Blick in den Spiegel zeigt, dass es Pass-Bilder ganz schön in sich haben. Das Straßenverkehrsamt möchte mein Passbild biometrisch.  „Bitte nicht lächeln, schauen Sie direkt in die Kamera und zeigen Sie die Ohren“, sagte der Photograph. Das Ergebnis macht deutlich, dass der Staat mich nicht von meiner besten Seite sehen will.

Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild, schreibt Paulus an die Frauen und Männer in Korinth. Ich verstehe das so, dass ich mich selbst im Spiegel nie ganz genau sehe, dass kein Bild mich zeigt, wie ich wirklich bin. Auch das biometrische nicht. Immer verdunkelt etwas das Bild: Das, was als schön gilt. Wie ich mich gern sehen möchte. Und auch die Bilder im Hintergrund, die Schrecken von Krieg und Verwüstung, hinterlassen Spuren, trüben das Bild ein.  

Das Pass-Bild von mir kennt nur Gott.  Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt worden bin, so schreibt es Paulus.  Wenn Gott mich ansieht, dann entsteht ein ganz neues Bild. Wie Gott mich sieht. Als Ebenbild Gottes. Vielleicht wird es die Summe aller Bilder sein, die es jemals von mir gab, vielleicht werden auch im Ebenbild die Unschärfen und Schrammen, Spuren von Angst und Unzufriedenheit sichtbar sein. In Gottes gnädigem Blick aber werden unsere Anmut und Würde neue Strahlkraft bekommen. Ein ganz und gar überraschendes Pass-Bild!

Beitrag von Pfarrerin Kirstin Müller