Ausgehend von den schlimmen Ereignissen in der Silvesternacht wird zurzeit politisch heftig diskutiert, Recht und Gesetz konsequenter als bisher anzuwenden und ggf. zu verschärfen. Wer andere gefährdet an Leib und Leben, muss mit aller Härte zur Rechenschaft gezogen werden. Es soll da also ausdrücklich keine Gnade vor Recht ergehen, sondern die Strafe vollzogen werden.
Auf diesem Hintergrund mag der biblische Wochenspruch für morgen aus dem Johannesevangelium 1,16 recht weltfremd klingen: „Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.“ Gemeint ist Jesus Christus, der keine neuen religiösen Vorschriften gebracht hat, sondern vielmehr Gnade und Wahrheit, wie es im Anschluss heißt. Ein echter Neuanfang also, indem wir uns selbst und unsere Mitmenschen als Geschenk Gottes begreifen. Gnade ist hier nicht nur juristisch gemeint, als würde eine eigentlich verdiente Strafe nicht vollzogen werden. Göttliche Gnade ist mehr. Niemand von uns hat sich selber ins Leben gerufen und gewollt. Dass es uns überhaupt gibt, können wir nirgends einklagen. Wir können uns bei unseren Eltern beschweren, ja, aber was bringt das? Wir sind doch wohl auch mehr als eine gute (oder gar üble?) Laune der Natur oder ein Zufall oder ein Unfall. Dass wir leben, ist eine Gnade und eine Art Vertrauensvorschuss. Wir können etwas Gutes daraus machen. Und gut wird etwas nur dann, wenn es nicht nur ausschließlich uns selber gut tut, sondern auch anderen.
Wir können sehr wohl ein anständiges, gottgefälliges Leben führen. Ohne religiöse oder moralische Vorschriften, deren Übertretung im Falle des Falles zu sanktionieren ist. Nicht, weil uns jemand dazu zwingt, sondern weil wir es selber wollen. Jesus Christus hat uns einen Weg gezeigt, wie wir göttliche Gebote als Wegweiser für ein gutes Miteinander in unser alltägliches Leben integrieren. Dann sind wir nicht darauf aus, einander die Fehler vorzuhalten und sie zu bestrafen. Sondern wir sind uns bewusst, dass wir allesamt von der Gnade Gottes leben. Denn würde es allein danach gehen, dass Gott mich und dich nach Recht und Gesetz zur Rechenschaft zieht, hätte ich ganz sicher keine Chance auf Freispruch. Und du vermutlich ebenfalls nicht. Als Christen vertrauen wir auf Gottes Gnade, so wie er sie in Jesus Christus gezeigt und erwiesen hat. Mit Gnade lässt sich nicht spielen. Nirgendwo. Mit Gnade lässt sich aber entlastet leben. Auch unter uns im Miteinander.