„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“ (Micha 6,8). Eine heute seltene Eindeutigkeit spricht aus diesem Satz. Er empfiehlt nicht, legt nicht nahe, begnügt sich nicht mit Denkanstößen. Gegen alles Nebulöse und Konturlose setzt er Klarheit.
Man könnte diesen Satz auch mit einem Gerichtsurteil vergleichen. Denn diese Worte bilden eigentlich den Abschluss einer Gerichtsverhandlung. Gott selbst hat ein Gerichtsverfahren gegen sein Volk angestrengt. Aber Gottes Volk wird hier nicht die Übertretung der Gebote vorgeworfen, sondern Gott leidet unter dem Eindruck, für sein Volk zur Belastung geworden zu sein. Offenbar droht für Gott eine Welt zusammenzubrechen. Er kann es nicht fassen, von den Seinen als Übeltäter, als Belastung empfunden zu werden.
Gott fragt sein Volk: Was habe ich Negatives getan oder Gutes zu tun versäumt, dass ihr einen Grund habt, euch von mir abzuwenden? Wo überfordert euch die Gemeinschaft mit mir? Welche meiner Ansprüche drohen euch zu vernichten? Es sind berechtigte Fragen, die Gott der Menschheit von Anfang an stellen konnte und die heute vielleicht aktueller und berechtigter sind, als je zuvor.
Nach den Worten des Propheten Micha, versucht das Volk auf Gottes Anklage mit eigenen Fragen zu antworten. – Wie sollen wir Gott Respekt erweisen? Worin soll die „Verbeugung“ vor Gott bestehen? Soll der Mensch etwa Opfer darbringen?
Gerade Opfer weist Gott zurück. Wer vielen Göttern dient, der hat alle Hände voll zu tun. Nie kann er ganz sicher sein, schon alles getan zu haben. Immer andere Tiere mussten auf den heidnischen Kulthöhen zur Zeit der Propheten geopfert werden. Die Götzen wandeln sich, ihre Ansprüche steigen: Zeit, Geld, Freundschaft und Ehre liegen auf den Opferstätten der Moderne.
Die Bibel sieht stattdessen den Menschen in einem Beziehungsgeflecht von Menschlichkeit und Gottesbeziehung. Diffuse Erwartungen gegenüber erinnert sie an das Wesentliche. So schlägt der Prophet Micha einen Dreiklang an: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Diese Eindeutigkeit wird für uns zu einer großen Entlastung. Wichtig sind glaubendes Vertrauen oder vertrauender Glaube. Sodann sollten alle Beziehungen von der Liebe inspiriert sein. Und schließlich ist Demut wichtig. Wobei Demut „vor Gott“ nicht bedeutet, sich selbst so klein zu machen, dass man sich nichts mehr zutraut. Vielmehr ist es wichtig, das Staunen über Gott nicht zu verlernen.