Laut und klar sollen sie gesungen haben. Dann liefen die Löwen in die Arena, griffen an und brachen sie zum Schweigen. So geht die Legende von den ersten Christen in Rom. Staunend wird berichtet, wie die Verfolgten ihrem Glauben treu blieben bis zum letzten Atemzug. Dass diese Legende nicht vergangen ist, zeigen Berichte von Christenverfolgungen bis zum heutigen Tag. Das Singen christlicher Lieder wird in manchen Ländern der Erde immer noch mit Gefängnis bestraft. Doch selbst dort hört das Singen nicht auf….
Lieder können „einfach so“ im Hintergrund laufen, um Stille zu vertreiben und eine angenehme Gefühlslage herzustellen. Doch waren sie immer schon unendlich viel mehr als nur Mittel zum Zweck. Traurig oder fröhlich, poetisch ergreifend oder energetisch aufgeladen: ihrer Stimmung sind fast keine Grenzen gesetzt. Lieder sind Helfer gegen die Angst. Sie geben Trost in dunklen Stunden. Sie bieten überströmender Freude ein Gefäß. Indem sie der Welt vom Glück erzählen, tauchen sie sie in schönes Licht. Über Grenzen hinweg verbinden sie Menschen zu einer Gemeinschaft. Große Ideen und tiefe Überzeugungen finden in ihnen Ausdruck. Lieder sind der Königswege des Gotteslobes.
Deshalb ruft eine Stimme morgen in die Welt: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ (Psalm 98,1). Dieser Sonntag heißt „Kantate“, das bedeutet „Singet“. Den Namen trägt er schon lange, doch in diesem Jahr lenkt er die Aufmerksamkeit ganz besonders auf den Gesang. Über Wochen waren die regulären Gottesdienste ausgesetzt aufgrund der Corona-Pandemie. Nun werden sie vielerorts wieder aufgenommen. Die geltenden Gesundheitsregeln werden beachtet und das schließt ein, auf das Singen von Liedern zu verzichten.
Für erfahrene Gottesdienstbesucher mutet es seltsam an. Es irritiert wohl auch jene, die das Singen über das Zuhören schätzen. Der Verzicht bedeutet höchste Rücksicht und macht deutlich, dass es jetzt nicht so ist vor der Krise. Vielleicht lässt das Fehlen auch erleben, worum es beim Singen eigentlich geht und warum der Gesang dem Glauben eingeschrieben ist seit alters her. Bis das Singen in der Gemeinschaft wieder möglich ist, ist jeder für sich frei, sein eigenes Lied zu singen. Am Sonntag Kantate könnten Klage und Dank mitklingen, bis heute mehr oder weniger heil durch die zurückliegende Zeit gekommen zu sein.

