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16.06.2023 Kategorie: Wort

Das Leben ist eine Baustelle

Seit nun mehr als sechs Monaten lebe ich auf einer Baustelle. Alles begann mit einem Wasserschaden und zog peu à peu die komplette Erneuerung der Wohnung nach sich. Wände, Böden und Interieur sind betroffen. Nach dem Schimmel kamen die Abrissarbeiten, die Trocknungsgeräte, die Instandsetzung. Dazwischen Ungewissheit, Aushalten und mit der Baustelle leben. Ein Malervlies fängt nach einer Woche an zu fusseln und stellt keinen Teppichersatz dar.

Das wird doch nie fertig! Der Wunsch nach einem guten Ende, nach einem ‚Endlich geschafft!‘ lässt oft in vielen Lebenslagen lange auf sich warten. Und so hat es zahlreiche Baustellen, die täglich aufs Neue bearbeitet werden oder erst einmal ruhen gelassen werden müssen, weil das Material fehlt, manchmal auch die Energie oder die helfenden Hände.

Dabei lebe ich in einer Welt, die nach Perfektion strebt, die Selbstoptimierung als lohnenden Prozess bezeichnet und Makellosigkeit postuliert. Aber was ist schon wirklich perfekt? Ich jedenfalls nicht und das ist mir auch zu anstrengend. Diese aktuell sehr weitverbreitete, übersteigerte Erwartungshaltung an sich selber, an andere und an das Leben ist zum Scheitern verurteilt, denn die Wirklichkeit ist nicht immer Instagram-tauglich. Gerade wegen meiner Macken werde ich geschätzt, nicht trotzdem.

Perfektion hingegen wird nur Gott allein zugeschrieben und er lässt sich auf mein Baustellen-Leben ein, in dem ich mich weiterentwickeln und neue Erkenntnisse in mein Leben integrieren kann.  Das ständige Streben nach Vollkommenheit hingegen lähmt, ja, lässt meine Baustellen erstarren und bei den utopischen Ansprüchen traut sich da niemand mehr ran, nicht einmal ich selber habe dann noch Lust daran zu arbeiten.

Darum ist es gut zu wissen, dass es etwas gibt, das mehr trägt als Perfektion: Es ist die vom ganzen Herzen her gefühlte Liebe untereinander. Die Liebe deckt die Baustellen des Lebens zu. Sie ist die Antwort, nicht Vollkommenheit (1. Petrus 4,8). Dann wird es leichter, gemeinsam seine Baustellen zu pflegen oder sie gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Beitrag von Jugenddiakon Michael Marintschak