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25.03.2020 Kategorie: Wort

Tage zählen

„Wie viele Tage noch bis Weihnachten?“  So oft stellen Kinder diese Frage im Advent. Voller Vorfreude und Erwartung. Das Warten fällt den Kleinen  schwer. Wenn es heißt: nur noch dreimal schlafen, atmen sie auf. Ihre kribbelige Unruhe wächst zwar weiter, doch neben ihr läuft jetzt mit ein festes Bild vom Ziel. Bald ist es soweit!

„Wie viele Tage noch…“ Die Frage ist in diesen Märztagen in aller Munde. Doch dahinter stehen ganz andere Gefühle.

Wie viele Tage noch bis das Virus Deutschland erreicht und unser Land im Griff hat: das schien vor zwei Monat weit hergeholt, als Covid 19 in China immer mehr Menschen erkranken und sterben ließ. Inzwischen haben uns diese Fragen nicht nur eingeholt, sie sind auch überholt. Die Ungläubigkeit ist in Sorge und Angst umgeschlagen.

Das Virus ist unter uns und es breitet sich immer weiter aus. Um das Schlimmste abzuwenden, gibt es seit kurzem die Regeln zur Einschränkung des öffentlichen Lebens, ganz offiziell für alle.

Die aktuelle Frage: wie viele Tage braucht es, damit das Stillhalten einen spürbaren Effekt hat? Es gibt keine klare Antwort darauf, also wächst das mulmig-unruhige Gefühl. Es gibt keine allgemeinen Regeln, wie man damit am besten umgeht. Das muss jeder für sich selber herausfinden.

Dazu mischt sich die bange Frage: Kann ich dem Virus entgehen? Können meine liebsten Menschen gesund durch diese Zeit kommen?  Und unausgesprochen fragen sich viele: Wohin mit dem ganzen Ernst, der so  plötzlich über ganz alltäglichen Dingen liegt wie dem Gang zum Bäcker oder dem Händedruck für die Nachbarin?

Deine Augen sahen mich, Gott

da ich noch nicht bereitet war, und alle Tage waren in dein Buch geschrieben, die noch werden sollten und von denen keiner da war.

Aber wie schwer sind für mich, Gott, deine Gedanken!

Wie ist ihre Summe so groß!

Wollte ich sie zählen, so wären sie mehr als der Sand:

Wenn ich aufwache, bin ich noch immer bei dir. (Psalm 139,16-18)

Da hat einer für sich Antworten gefunden, die ihm weiterhelfen. Dass er dazu auf den Grund aller Fragen für sich steigen musste – wer weiß, wie schwer das gewesen sein mag, wie lange es gedauert hat. Und wie oft er das wiederholen muss, täglich vielleicht sogar? Doch eben kann er mit seinen Antworten gut leben. Er fühlt sich gemeint und geborgen.

So kann er aushalten, dass er nicht das große Ganze versteht und dass manches jetzt so schwer ist. Seine Antworten sagen ihm, dass jeder Tag wichtig ist, weil er selber wichtig ist. Das ist es, was jetzt zählt. In diesem Moment. Und in allen anderen, die noch folgen.

Beitrag von Pfarrerin Petra Rau